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09.12.19 –
Die Grünen hatten in der letzten Gemeinderatssitzung beantragt, darüber zu verhandeln, einen Teil der kommunalen Waldflächen in Naturwald zu überführen, der dauerhaft aus der forstlichen Nutzung genommen werden soll. Daraufhin sicherte Bürgermeister Spanberger zu, diesen Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung im Februar 2020 zu setzen. Wir berichteten darüber in der letzten Ausgabe der Gemeinderundschau.
Allerorten zur Verwunderung beigetragen hatte dann ein Bericht der Fraktion der CDU in der letzten Ausgabe der Gemeinderundschau. In diesem Bericht wurde den Grünen vorgeworfen, den Antrag „unausgegoren, in reinem Aktionismus und ohne Einbindung der anderen Fraktionen“ gestellt zu haben. Dazu möchten wir im Folgenden Stellung nehmen.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn zukünftig Diskussionen und Schlagabtausche zwischen den Fraktionen sowohl in den Gemeinderatsitzungen als auch in der Berichterstattung gerne hart in der Sache aber fachlich begründet und sachlich geführt werden
Waldschutz in Zeiten der Klimakrise – Hintergründe zu unserer Naturwaldinitiative
Die Grünen in Mühlhausen stellten im Gemeinderat den Antrag, bis zum Ende des Jahres 2020 sieben Prozent der kommunalen Waldflächen in Naturwald zu überführen, der dauerhaft aus der forstlichen Nutzung genommen wird. Über den Antrag wird in der Gemeinderatssitzung im Februar 2020 beraten und entschieden. Im Folgenden wollen wir das Thema ausführlicher darstellen und mit Hintergrundwissen anreichern.
Was ist Naturwald? Warum ist Naturwald in Zeiten der Klimakrise so wichtig?
Naturwald ist Wald, der von der wirtschaftlichen Nutzung dauerhaft ausgenommen wird. Naturwald ist nicht zu verwechseln mit Naturschutzgebieten, in denen zwar ein besonderer Schutz der Natur besteht, aber behördlich zugelassene und private Nutzungen, die zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung vorhanden waren, in der Regel erlaubt sind.
Forstwissenschaftlich ist es mittlerweile unbestritten, dass Naturwaldflächen für den langfristigen Erhalt der biologischen Vielfalt und die ökologische Stabilität eines Waldes unabdingbar sind. Forstdirektor Lutz Fähser, ein international anerkannter Fachmann für naturnahe Waldbewirtschaftung, erklärt, dass die Anpassungsfähigkeit eines Waldes an klimatischen Stress erhöht werde, wenn Teile des Waldes von der Bewirtschaftung ausgenommen werden und dadurch seine verloren gegangene Natürlichkeit wieder entwickelt wird. Ein gesunder und vitaler Wald komme vor allem aus der Natur heraus und nicht aus dem Willen des Försters. Die Politik müsse endlich Abstand nehmen von einer nur auf Holzproduktion fokussierten Forstwirtschaft. Man müsse der Natur Raum geben und das System sich selbst anpassen lassen.
Außerhalb von Naturwaldflächen werden die Bäume des Waldes bereits in der sehr frühen Lebensphase genutzt. Insbesondere für die biologische Vielfalt und die Gesunderhaltung des Waldes sind aber gerade die zweite Lebenshälfte sowie die Zerfallsphase von entscheidender Bedeutung. Erst hier entstehen in ausreichender Häufigkeit diejenigen Lebensräume, auf die viele waldbewohnende Arten angewiesen sind und die dem gesamten Wald große ökologische Stabilität verleihen. Das wiederum spiegelt sich dann auch unmittelbar im wirtschaftlichen Mehrwert des Waldes wider. Gerade in Zeiten der sich immer ausgeprägter und stärker abzeichnenden Klimakrise sind diese Maßnahmen umso wichtiger.
Ob dafür ein Naturwaldanteil von fünf Prozent ausreicht, kann erst durch die begleitende Überwachung des Arteninventars und der gesundheitlichen Stabilität der Wälder bewertet werden.
Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt und die Situation in Baden-Württemberg
Im Jahr 2007 hatte die Bundesregierung daher die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Unter anderem war ein Ziel, den Anteil von Naturwald, der dauerhaft aus der forstlichen Nutzung genommen wird, bis zum Jahr 2020 auf fünf Prozent zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sieben bis zehn Prozent des öffentlichen Waldes in Naturwald überführt werden.
Heute, Ende 2019, sieht die Bilanz noch immer miserabel aus. Deutschland verfehlt diese Waldschutzziele deutlich. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg schneiden dabei besonders schlecht ab. Grund für das schlechte Abschneiden ist vor allem der Widerstand der Forstwirtschaft, die keine Produktionsflächen abgeben möchte und Einnahmeverluste befürchtet. Deshalb muss das Ziel vor allem in öffentlichen Wäldern umgesetzt werden.
Obwohl die grün-geführte Landesregierung unter Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) das Naturwald-Ziel im Koalitionsvertrag vereinbarte, lehnt Forstminister Hauk (CDU) diesbezüglich den Koalitionsvertrag ab und bringt die Umsetzung nicht voran. In diesem politischen Zusammenhang muss auch der Widerstand einiger Gemeinderäte gegen unseren Antrag auf kommunaler Ebene gesehen werden – siehe oben im Bericht „Wir machen uns für einen gesunden Wald stark!“.
Die Befürchtung großer Einnahmeverluste ist unbegründet und von Minister Hauk politisch hochstilisiert. So ist zum Beispiel in Mühlhausen im Jahr 2019 mit einem Gewinn von 15.700 Euro aus den Einnahmen im Gemeindewald zu rechnen. Bei einer um sieben Prozent reduzierten Fläche durch Herausnahme von Naturwald wäre die Gewinndifferenz somit nicht einmal 1.100 Euro oder 12 Cent je Einwohner. Für das Jahr 2020 ist sogar mit 10.000 Euro Verlust aus der Waldwirtschaft zu rechnen. In diesem Fall würde durch Herausnahme von Naturwald dieser Verlust voraussichtlich sogar abgemildert, da der Naturwald nicht intensiv bearbeitet wird. In anderen Gemeinden kommt man auf entsprechende Zusammenhänge. Klar wird damit aber, dass wir bereits mit kleinen Beträgen viel zu Klima- und Waldschutz beitragen können. Je früher wir mit den unvermeidlichen Maßnahmen für Klimaschutz beginnen, umso weniger wird es uns langfristig kosten – denn nicht nur auf Bundes- oder Landesebene, sondern auch in unserem Verantwortungsbereich auf kommunaler Ebene, stehen wir in der Verantwortung.
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Kategorie
2019 | Gemeinderat | Klima | Umwelt