BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach

Interessantes aus Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach

Innenverdichtung vor Außenentwicklung

10.07.25 – von RK –

Mühlhausen ist eine prosperierende Gemeinde, die weiter wachsen möchte. Um neue Mitbürgerinnen und Mitbürger anzuziehen und bereits hier Wohnenden ein zu ihrer Lebensphase passendes Angebot machen zu können, müssen wir uns stets überlegen, wie wir sinnvolle nächste Schritte im Immobilienbereich gehen können.

In diesem Zusammenhang diskutieren der Gemeinderat und die Verwaltung bereits seit langer Zeit die Möglichkeit, in Rettigheim ein Neubaugebiet zu entwickeln. Diese „Nordwestliche Ortserweiterung“ würde einerseits den Bedarf nach neuen Bauplätzen befriedigen, andererseits stehen in unserer Gemeinde bereits heute zahlreiche erschlossene Flächen zur Verfügung, die es zu aktivieren gilt. Und die Frage, ob neuer Wohnraum den Bedarf beispielsweise der älteren Generation nach kleineren, seniorengerechten Wohneinheiten befriedigen würde, muss beantwortet werden. 

In der Gemeinderatssitzung am 26. Juni wurde eine Baulandentwicklungsstudie vorgestellt, die die grundsätzliche Machbarkeit des zur Diskussion stehenden Baugebiets untersuchte. Zu dem Tagesordnungspunkt gab unsere Gemeinderätin Gabriele Weyerhäuser folgende Stellungnahme ab:

„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, 

wir als Fraktion von B90/DIE GRÜNEN haben die vorgestellte Planung zur ‚Nordwestlichen Ortserweiterung‘ in Rettigheim intensiv diskutiert. Das gemeinsame Ziel ist unbestritten: Wir wollen ausreichend und bezahlbaren Wohnraum in unserer Gemeinde. Ja, die Gemeinde soll wachsen und nicht schrumpfen – mehr Einwohner bedeuten höhere Zuweisungen für unseren Haushalt.
Aber: Der Weg, den die aktuelle Baulandentwicklungsstudie ‚Nordwestliche Ortserweiterung‘ Rettigheim einschlägt, überzeugt uns in dieser Form nicht. Und wir möchten auch begründen, warum: Wer sich die Studie genauer anschaut, erkennt schnell: Das ist ein Gebiet, das sich überwiegend an eine Zielgruppe richtet: Junge Familien mit höherem Einkommen, die sich ein Einfamilienhaus, Doppelhaus oder Reihenhaus leisten können. 
Doch unsere Gemeinde ist viel vielfältiger! Was ist mit Azubis und jungen Erwachsenen, welche in ihre erste kleine Wohnung ziehen möchten? Was ist mit Alleinlebenden, mit Paaren ohne Kinder? Was ist mit Seniorinnen und Senioren, die gerne im Ort bleiben würden – für die es aber keine passende Alternative zum eigenen Haus gibt? All diese Menschen kommen in der aktuellen Planung kaum vor. Die wenigen vorgesehenen Mehrfamilienhäuser werden – man muss fast sagen ‚schamhaft‘ – an den Rand gedrängt. 

Dazu kommt: Der demografische Wandel macht auch vor Mühlhausen nicht halt. In der Gemeinderatssitzung vom 27. März dieses Jahres hat uns die Firma STEG Stadtentwicklung GmbH ihren Abschlussbericht zur Innenentwicklung vorgestellt. Baulücken, Leerstände, Nachverdichtung und Entwicklungsflächen ergeben ein Gesamtpotenzial von 37,09 Hektar – das sind über 50 Fußballfelder. Davon gelten 15,41 Hektar als realistisch aktivierbar – also immer noch mehr als 20 Fußballfelder. 
Zum Vergleich: Die Fläche des geplanten Neubaugebiets beträgt gerade einmal 5,71 Hektar – rund acht Fußballfelder. Der Abschlussbericht zur Innenentwicklung zeigt auch: Über 200 Wohnhäuser (Wohnraumkapazität von 500 Personen) in unserer Gemeinde werden derzeit von Menschen über 75 Jahre bewohnt. 
Aber: Warum sollte jemand sein Haus aufgeben oder auch nur darüber nachdenken, wenn es im Ort keine barrierefreie, bezahlbare und seniorengerechte Alternative gibt? Das vorgestellte Neubaugebiet liefert darauf keine Antwort. Es liefert auch keine Antwort auf den heutigen Bedarf, da bis zur Vermarktung und tatsächlichen Bebauung noch mehrere Jahre vergehen werden – mindestens fünf bis acht, bei Problemen auch zehn Jahre!

Wir haben es schwarz auf weiß von Experten aufbereitet bekommen: Mühlhausen, Rettigheim und Tairnbach haben ausreichend Potenzial im Innenbereich – weit mehr, als das geplante Baugebiet bieten kann. Sicher, die Aktivierung dieser Flächen ist anspruchsvoll. Sie braucht Geduld, viele Gespräche und Ideenreichtum. Gerade deshalb ist es entscheidend, jetzt die richtigen Weichen zu stellen. 

Neue Baugebiete an Ortsrändern senden das Signal: ‚Lieber draußen neu bauen als drinnen erneuern.‘ Die Bereitschaft zur Innenentwicklung sinkt. In vielen ländlichen Gemeinden sieht man bereits die negativen Folgen solcher Entscheidungen: Leerstände, Verfall, Ortskerne, die ihren Charakter verlieren. Auch in Mühlhausen, Rettigheim und Tairnbach sind solche Tendenzen an manchen Ecken bereits erkennbar. 

Auch unter finanziellen Gesichtspunkten ist ein Neubaugebiet kein Selbstläufer. Neubaugebiete verursachen dauerhafte Folgekosten: für Straßen, Wege, Kanalisation, Beleuchtung, aber auch für Kindergärten und Schulen. Wenn – wie vorgesehen – vor allem Familien zuziehen, wird auch das Betreuungs- und Bildungsangebot in Rettigheim wachsen müssen. Zusätzliche Kindergarten-Kapazitäten würden mindestens 2,5 Millionen kosten. In Anbetracht unserer bereits angespannten Haushaltslage ein Kraftakt, der gut überlegt sein will. 
Hinzu kommt: Es ist fraglich, wie groß der tatsächliche Bedarf künftig sein wird. Viele große Arbeitgeber in der Region wachsen nicht weiter – manche bauen sogar Personal ab. In den umliegenden Gemeinden wird ebenfalls über Neubaugebiete diskutiert, geplant und umgesetzt. Die Konkurrenz steigt – und mit ihr die Gefahr, dass wertvolle Bestandsflächen ungenutzt bleiben, während Naturflächen unnötig verbaut werden. Wir schlagen deshalb einen anderen Weg vor: 

  • Setzen wir mit voller Kraft auf Innenentwicklung. 
  • Sprechen wir die Eigentümer immer wieder in geeigneter Form an. 
  • Fördern wir Sanierungen, Umnutzungen und moderne Wohnkonzepte. 

Wenn Außenentwicklung erfolgen soll, dann bitte gezielter und kleiner: 

  • Mit Wohnformen für Senioren, Singles und Paare
  • Mit kleineren und bezahlbaren Wohneinheiten 

Nur so schaffen wir Perspektiven für junge Menschen, die hierbleiben oder zurückkehren möchten. Und wir geben älteren Menschen die Möglichkeit, im vertrauten Umfeld zu wohnen – auch dann, wenn das eigene Haus nicht mehr passt. 

Ein klassisches Neubaugebiet am Ortsrand kann diese Anforderungen nicht erfüllen. Was es braucht, sind mutige, soziale und vorausschauende Wohnkonzepte abseits traditioneller Denkweisen – orientiert an den realen Bedürfnissen unserer Gemeinde.“

 

Einen Beschluss über ein aktives Liegenschaftsmanagement mit einer transparenten Berichterstattung hatte der Gemeinderat in seiner Sitzung im März 2022 bereits gefasst. Diesen Beschluss ohne Gegenstimmen gilt es umzusetzen – für ein lebens- und liebenswertes Mühlhausen.

(Ralf Kau für B90/Die Grünen)

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2025 | Bauen & Planen | Gemeinderat

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